Wenn der süße Brei alles verschlingt
Würzburg (POW) Wirtschaftswachstum ist wie der süße Brei im Märchen. Er stillt zwar zunächst den Hunger, verschlingt am Ende aber alles. Bei der Veranstaltung „Zukunft nachhaltig gestalten: Der süße Brei des Wachstums und was kommt danach?“ fand der Volkswirtschaftsprofessor Dr. Niko Paech, viel gefragter Kritiker eines ungezügelten Wirtschaftswachstums, klare Worte. „Gewusst haben wir schon immer, dass es so nicht weitergeht, aber die Party ist einfach zu schön, der Brei einfach zu süß“, beschrieb er im Würzburger Kolpinghaus die gegenwärtige Situation. Eingeladen zu der mit über 200 Teilnehmern überaus gut besuchten Veranstaltung hatte ein breites Bündnis der Verbände der Diözese.
In seinem Vortrag zur Postwachstumsökonomie entwickelte der Professor der Volkswirtschaft alternative Konzepte, die von einer gerechteren Verteilung des Besitzes und einem sparsamen Umgang mit den Ressourcen getragen werden. Tatsächlich gibt es schon heute eine ganze Reihe von Initiativen, die sich dem Gedanken des Postwachstums verschrieben haben. Die katholischen Verbände zählen ebenso dazu wie private Initiativen. So veranstaltet der Verein „Bergwald“ regelmäßig einwöchige Camps. „Wälder sind Filter und zeigen als erstes, welche Folgen dies alles hat“, sagte Stephen Wehner. Rasch würden die Menschen feststellen, wie wenig es braucht, um in der Natur zu leben. Als erstes würden die teuren Goretex-Jacken verschwinden und durch einfache Jacken, die den Dornen standhalten, ersetzt, hat er beobachtet. „Das große Umdenken muss bei dem Einzelnen beginnen“, so seine Feststellung.
Auch die Arbeit von Kathrin Falkner, Umweltreferentin beim Verbraucherservice Bayern im Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB), hat das Ziel, gegenüber den Verlockungen der Werbeindustrie zu immunisieren und mündige Verbraucher zu unterstützen: Umweltfragen spielten in ihren Gesprächen oft eine zentrale Rolle. „Muss es etwa wirklich sein, dass bei immer mehr Produkten bewusst Teile, die frühzeitig verschleißen, eingebaut werden?“, fragte sie in die Runde.
In der für alle offenen Diskussionsrunde hatte jeder Gelegenheit, seine Gedanken zu äußern. So kritisierte eine Frau, dass ständig neue Baugebiete ausgewiesen würden, während die Altorte allmählich verfielen oder mit Leerständen zu kämpfen hätten. Auch Paech sieht dies so: „Es gibt keine Rechtfertigung für Neubau, die Stadtgestaltung der Zukunft ist Rückbau, nicht Neubau.“ Ein Mann wollte noch weiter gehen und den privaten Besitz von Autos einschränken. „Ein Auto passt einfach nicht in die Stadt“, begründete er seinen Vorschlag.
Ein junger Mann warb dafür, gebrauchten und bereits für den Müll vorgesehenen Gegenständen und Möbeln zu einem neuen Leben zu verhelfen. Der Würzburger Freiraum, eine von Studenten getragene Initiative, hat sich etwa dem bargeldlosen Tausch und der Selbsthilfe bei Reparaturen verschrieben. Als „Nachhaltigkeitsforscher“ unterstützt Paech ähnliche Initiativen. „Weniger ist mehr, aber es geht auch darum, unsere Schritte erträglich und wirtschaftlich vertretbar zu gestalten“, warnte er jedoch gleichzeitig vor überzogenen Forderungen.
Für Albrecht Siedler, Finanzdirektor der Diözese, steht fest: „Materieller Reichtum alleine macht nicht glücklich und stiftet keinen Sinn.“ Er sieht darum eine ganze Reihe von Schnittpunkten zwischen den zivilgesellschaftlichen, wachstumskritischen Bewegungen und den Anliegen der katholischen Kirche. Nicht zuletzt habe die Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus deutlich auf die Verantwortung der Christen für die Schöpfung hingewiesen.
ca (POW)